Die Wehrmacht betrieb auf dem Gelände eines von der Artillerieprüfungskommission 1874 im Kummersdorfer Forst eingerichteten Artillerieschießplatzes im heutigen Kummersdorf-Gut bis 1945 ein Entwicklungs- und Erprobungszentrum für neue Waffensysteme und Ausrüstung. Hierzu gehörte auch der Flugplatz Sperenberg. So entwickelte hier unter anderem Wernher von Braun – bis zur Verlegung nach Peenemünde 1936 – die Flüssigkeitsraketentriebwerke A1 und A2. Aus Platzgründen konnten in Kummersdorf selbst jedoch keine größeren Raketen gestartet werden. Ab 1939 wurde in Kummersdorf auch auf dem Gebiet der Atomenergie geforscht.
Neben einem großen Schießplatz (2 Schießbahnen: West ca. 7 km, Ost knapp 13 km) befand sich hier u.a. die Kraftfahrversuchsstelle des Heeres, auf der neben anderen Fahrzeugen alle Prototypen der deutschen Panzerkampfwagen sowie Beute-Panzer getestet wurden.
Die Rote Armee nutzte das Gelände bis zu ihrem Abzug 1994.
Seit Juni 2007 steht das Gelände der Heereswaffenversuchsanstalt unter Denkmalschutz.
(Quelle: Wikipedia)
Nördlicher Kasernenteil
Die Kaserne wurde von italienischen Fremdarbeitern gebaut und besitzt 104 Räume. Die Bauausführung mit roten Klinkersteinen und Ecktürmen entspricht dem damaligen Militärbaustil. Das Kasernengebäude sowie die nachfolgenden Gebäude und Einrichtungen wurden anschließend von der Reichswehr, der Wehrmacht und nach Kriegsende von der Roten Armee genutzt.
Die Kommandantenvilla diente zur Unterbringung des jeweiligen Kommandanten und seiner Familie. Durch die Verwendung von Klinkersteinen ist das Gebäude den übrigen Kasernenbauten angepasst, ohne dass der typische Villenstil verloren ging.
Das Offizierskasino, damals umgeben von einem Tierpark, die Kegelbahn, der Springbrunnen und andere Einrichtungen waren der kulturelle Mittelpunkt des gesamten Kasernengeländes. In seinem repräsentativen Saal fanden nicht nur die Beratungen der Artillerieprüfungskommission statt. Er stand auch für offizielle Empfänge und Feierlichkeiten zur Verfügung sowie auch auf private Veranstaltungen. Auf der Treppe am Eingang ließen sich die jeweiligen Staatsrepräsentanten bei ihren Besuchen fotografieren.
Der Wasserturm wurde im Jahr 1913 errichtet und verbesserte die Wasserversorgung des Kasernengeländes wesentlich. Die Außerbetriebnahme erfolgte nach der Fertigstellung eines neuen Wasserwerks im Jahr 1988. Über eine 200-stufige Wendeltreppe konnte der ca. 120 m³ fassende Wasserkessel besichtigt werden. Der Turm ist mit einer Höhe von 37 m der höchste Aussichtspunkt und ermöglicht einen faszinierenden Rundblick ins Umland.
Entsprechend der wachsenden Bedeutung des Schießplatzes Kummersdorf wurde auch das Kasernengelände dem Bedarf angepasst. Deshalb errichtete man gegen Ende der 20iger Jahre die Kommandantur und weitere Gebäude. Die Bauausführung und der Baustil unterscheiden sich deutlich von den übrigen Gebäuden des Geländes.
(Quelle: museum-kummersdorf.de)
Da dieser Kasernenteil echt riesig ist, haben wir eine weitere Erkundungen (2019) unternommen und die scheinbar uninteressanten Gebäude angesehen.
Was hier zu erkennen war, das es hier hauptsächlich um die Fahrzeuge ging. Es gab viele Garagen oder Werkstätten zur Instandhaltung. Auch eine Wäscherei, Sporthalle und Sauna fanden wir.
Einiges ist auch schon abgerissen oder völlig leer.
Auch gibt es hier noch die typischen Mannschaftsunterkünfte.
Wasserturm
Der knapp 40 Meter hohe Wasserturm diente zu aktiven Zeiten der Versorgung der Kaserne. Er wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut und war bis Ende der 1980er Jahre in Betrieb. Ein neues Wasserwerk machte ihn überflüssig. Der Turm steht unter Denkmalschutz und der Aufstieg ist schon mit etwas Anstrengung verbunden aber man hat dann einen sensationellen Blick über das Gelände.
Kraftfahrversuchsstelle
Die folgenden Bilder zeigen den südlichen Teil dieses riesigen Areals in Kummersdorf-Gut. Hier war einst die Kraftfahrversuchsstelle (VERSKRAFT) des Heeres beheimatet.
Die Verskraft erprobte u.a. sämtliche Prototypen deutscher Panzer (bis hin zum Panzerkampfwagen VIII Maus) sowie Beute-Panzer des Zweiten Weltkrieges, Kräder, NSU Kettenkräder, LKW, Zugkraftwagen, Halbkettenfahrzeuge, Raupenschlepper Ost, VW Kübel- und VW Schwimmwagen, u.v.m. Neben Verwaltung, Unterkünften, Werkstätten, Prüfständen und Fahrzeughallen gab es zwecks Erproben unter extremen Bedingungen Staubkammern sowie eine Halle für Klima-Simulation.
Nach dem 2. Weltkrieg waren hier Einheiten der 64. mobilen Brigade der GSSD kaserniert.
Wir besuchten die VERSKRAFT erneut (09-2018)
Drohnenbilder
Physikalisch-Chemische Versuchsstelle Gottow
Im Jahr 1926 entstand die „Zentralstelle für Heeresphysik und Heereschemie“, die 1929 zur offiziellen Reichswehrdienststelle wurde. Nach 1933 wurde die militärische Forschung intensiviert und neue Forschungseinrichtungen geschaffen. Dazu gehört auch die Versuchsstelle Gottow, die ca. 1937/38 errichtet wurde und für etwa 1000 Beschäftigte ausgelegt war. Man beabsichtigte möglichst viele wissenschaftliche Einrichtungen in die Lösung der immer umfangreicheren Wehrforschungsaufgaben einzubeziehen oder mit ihnen zu kooperieren.
Die Versuchsstelle Gottow unterhielt intensive Arbeitsbeziehungen u.a. mit folgenden Einrichtungen:
– Wehrtechnische Fakultät der TH Berlin
– II. Physikalische Institut der Berliner Universität
– Chemisch-Technische Reichsanstalt Berlin
– Physikalisch-Technische Reichsanstalt Berlin
– Verschiedene Kaiser-Wilhelm-Institute
– Physikalische und Chemische Institute zahlreicher anderer Universitäten und Hochschulen
– Forschungsstätten der Rüstungsindustrie
In der Versuchsstelle Gottow wurden sämtliche neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf die militärische Verwendbarkeit geprüft. U.a. wurde intensiv in den Bereichen Optik, Bildwandler, Ultrarot, Ultraschall, Elektronik, Werkstoffkunde, Messtechnik und auch an Raketentreibstoffen geforscht.
Allein in der Zeit Mitte 1943 bis Anfang 1945 wurden 120 überwiegend geheime und mit Dringlichkeitsstufen versehene Forschungsaufträge vergeben. Die militärische Bedeutung der Versuchsstelle Gottow wurde auch durch die Verbindung zum Sicherheitsdienst der SS belegt.
Durch die Zunahme der Bombenangriffe auf Berlin wurde Mitte 1943 die Berliner Forschungsabteilung des Heereswaffenamtes komplett nach Gottow verlegt. Kurz vor Kriegsende wurden die Forschungsabteilung und eine Vielzahl der Mitarbeiter von der Versuchsstelle Gottow auf den Truppenübungsplatz Hillersleben verlegt und gleichzeitig ein großer Teil der Akten verbrannt. Kurz darauf erfolgte die Rückverlegung, da die amerikanischen Truppen in Richtung Magdeburg vorstießen. Am 20. 04. 1945 erfolgte der Befehl zur Räumung der Heeresversuchsstelle Kummersdorf einschließlich der Versuchsstelle Gottow. Nach der Besetzung der Versuchsstelle Gottow durch die Rote Armee wurden alle vorhandenen Anlagen und Einrichtungen demontiert und noch vorhandene Dokumente beschlagnahmt. Einige Mitarbeiter wurden zur Weiterführung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten in der Sowjetunion aufgefordert.
In den Jahren 1955/56 wurde das Gelände zu einem Munitionslager umgebaut und erweitert.
(Quelle: museum-kummersdorf.de)
10-2019 und 12-2021
Wir besuchten den ersten deutschen Reaktor der hier im Rahmen des Uranprojektes von 1942-1944 betrieben wurde und noch weitere Anlagen, wie die Beschusswand. Auch ein paar Gebäude aus der GSSD Zeit sind hier noch zu finden.
Versuchsstelle West
Ende der Zwanziger Jahre versuchten sich viele Techniker und Wissenschaftler, aber auch Abenteurer und Phantasten, auf dem Gebiet der Raketenentwicklung. Die Reichswehr erkannte recht schnell, dass es galt selbst zu handeln und die Spreu vom Weizen zu trennen. So beauftragte das Heereswaffenamt im Sommer 1930 das Referat Ballistik und Munition, die Brauchbarkeit großkalibriger Raketen zu untersuchen.
Gleichzeitig begannen in Kummersdorf die ersten streng geheimen Versuche mit Raketenbrennöfen. Unter der Leitung des späteren Generals Walter Dornberger wurden für diese Zwecke Versuchsstände, Messhäuser und Konstruktionsbaracken errichtet. Um die Jahreswende 1930/31 entstand so zwischen der Schießbahn Ost und der inzwischen hinzugekommenen Schießbahn West die Versuchsstelle West. Am Anfang stand die Erprobung der von der Industrie gelieferten Schwarzpulver-Raketentreibsätze. Gleichzeitig entwickelte man auf dem Raketenflugplatz Berlin-Reinickendorf eine Rakete mit Flüssigkeitstriebwerk. Diese wurde bereits vom Heereswaffenamt bestellt. Im August 1932 kam die 3,60 m lange und 20 kg schwere Rakete zum Versuch nach Kummersdorf. Die Rakete entwickelte einen solchen Schub, dass sie aufstieg.
In der Höhe von 70 m legte sie sich in die Waagerechte und stürzte ab. Das Experiment war misslungen.
Der 22. Juni 1932 war ein bedeutender Tag in der Geschichte der Versuchsstelle West. An diesem Tag sollte auf dem Schießplatz Kummersdorf eine Drei-Liter-Flüssigkeitsrakete (Mirak III) abgeschossen werden. Rudolf Nebel, Wernher von Braun, Beermüller und Ehmayer starteten von Reinickendorf mit zwei vorführungsbereiten Mirak III in Richtung Kummersdorf. Dem damals 20-jährigen Wernher von Braun imponierten die Anlagen in Kummersdorf so sehr, dass er noch 30 Jahre später folgendes schrieb:
„Was wir auf dem einsamen Platz fanden, erregte unseren Neid und unsere Bewunderung zugleich. Wir fanden einen vollendeten Prüfstand für die Brennkammern von Flüssigkeitsraketen vor, mit Betonmauern umgeben und mit einem Schiebedach versehen. Wir staunten über den Beobachtungsraum und zeigten uns beeindruckt von dem Messraum, in dem sich ein Wirrwarr von allen möglichen Prüfleitungen, Registrierapparaten, Messgeräten u.s.w. befanden. Auf der Schießbahn, wo unsere Rakete erprobt werden sollte, standen neuartige Kino-Theodoliten zur Verfügung, die den gesamten Flug der Rakete auf den Film bannen und zugleich ihren Flugweg vermessen konnten. Wenn wir da an unseren Laden in Reinickendorf dachten, hätten wir eigentlich Minderwertigkeitskomplexe haben müssen.“
Beeindruckt von den Einrichtungen und Möglichkeiten in Kummersdorf arbeiten zu können, entschloss sich Wernher von Braun mit dem Heereswaffenamt zusammen zu arbeiten. Er wechselte am 1. Oktober 1932 nach Kummersdorf über und nahm alles bisherige Wissen und die Erfahrungen aus Reinickendorf mit ins andere Lager.
Etwa zum selben Zeitpunkt begann der Bau des ersten aus Beton hergestellten Prüfstandes. Er befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Pulverraketenprüfstand. Zum Prüfstand welcher 6 m lang und 4 m hoch war, gehörten noch zwei Baracken mit Arbeitszimmer, Konstruktionsraum, Dunkelkammer und eine Werkstatt. Am 21. Dezember 1932 wurde der erste Brennversuch gestartet. Er misslang, die Einrichtung des Prüfstandes wurden fast völlig zerstört. Nach der Wiederherstellung des Prüfstandes wurden die Versuche fortgeführt. Aufgrund der hohen Auslastung des Prüfstandes wurde 1934 ein weiterer Prüfstand gebaut.
1934 begannen auch die Arbeiten an der ersten kompletten Rakete mit Flüssigkeitsraketentriebwerk, dem Aggregat 1 (A1). Die 150 kg schwere Rakete sollte von einer Abschussrinne gestartet werden. Zum Start kam es allerdings nicht. Ein neues Projekt, die A 2 wurde entwickelt. Parallel dazu begannen die Arbeiten an einem neuen Triebwerk mit 1000 kg Schubleistung.
Als das Gelände für die Versuche zu klein wurde, zog die Versuchsstelle nach Peenemünde.
(Quelle: http://www.museum-kummersdorf.de)
Wir fanden im Wald mehrere Prüfstände, die seit 1945 vor sich hin rotten. Darunter 2 zerstörte, einen kleinen und einen großen Prüfstand. Dazu noch mehrere alte Fundamente und Betonbauten, deren Funktion nicht mehr erkennbar waren.
10-2019
Weitere Bilder dieser Versuchsstelle. Im einzelnen sind sie hier zugeordnet.
Versuchsstelle Ost
Über diese Versuchstelle gibt es im Gegenteil zur VersWest nur wenig Dokumentation. Wohl in den 1930er Jahren wurde sie errichtet, der große Prüfstand ist noch gemauert und wahrscheinlich der älteste auf dem Gelände.
Hier wurden Test an Treibstoffen für die Brennkammern der Raketentriebwerke durchgeführt.
Die Russen konnten mit diesen Anlagen nichts anfangen, da sie auch vor deren Eintreffen zerstört wurden.
Deshalb blieb dieser Bereich, nach 1945 weitestgehend ungenutzt.
Schießbahn West
Der Beitrag über die Schießbahn West ist hier zu finden, hier nur die Bilder.
Schießbahn Ost
Diese Schießbahn wurde ab 1875 erbaut und hatte eine Gesamtlänge von fast 13 km und war 250 Meter breit. Es gab 55 Beobachtungspunkte und auch wie an der Schießbahn West wurden hier Waffen, Munition und Ausrüstung getestet und Beschussversuche an Bauwerken unternommen. Nach dem Krieg wurde hier einiges demontiert und auch der Bau des Flughafens ließ einiges verschwinden. Die ganze Bahn haben wir nicht abgelaufen, wir konnten das vereinigte Panzer- und Gewölbziel ansehen, das schon über 100 Jahre so zerstört ist. Weiterhin ein paar Bunker und Beschussziele. Auch viele GSSD Hinterlassenschaften findet man im Wald.
Sprenggarten und Schießbahn Adlershorst
Dieses ehemalige Versuchsgelände der Wehrmacht liegt tief im Kummersdorfer Wald und gehörte zur damaligen Versuchsstelle-Ost. Hier wurden Probesprengungen von Splittergranaten durchgeführt und auf der Schießbahn panzerbrechende Munition erprobt. Gebaut wurde das hier ab 1937.
Die 165m lange Schießbahn ist mit Beobachtungsbunkern ausgestattet, in der Umgebung gab es noch eine kleinere Schießbahn, 2 runde Wasserbecken unbekannter Funktion, sowie Munitionsbunker.
Vom Sprenggarten ist nichts mehr zu sehen, die umgebenden Bretterwände wurden nach dem Krieg abgetragen. Es sind nur noch die dazugehörigen Beobachtungs- und Muitinsbunker vorhanden.
Die GSSD nutzte scheinbar einige dieser Bunker nach, in einem finden wir einen wohnähnlichen Ausbau. Aus welcher Zeit das aber stammt ist unklar. Sogar eine Hundehütte ist vorhanden.