Nach 1950 wurde der Ort von der DDR Führung als neues Wintersportzentrum stetig auf- und ausgebaut. Eine entsprechende Repräsentanz durfte da natürlich nicht fehlen.
Der Zutritt zum Gebäude selbst ist denkbar einfach. Türklinke betätigen und einen Schritt hinein wagen.
Update: Das Haus des Sports ist mittlerweile abgerissen, dieser Beitrag erinnert noch daran.
Zum Urbexerleben gehören auch Zufallsfunde. Dieses ehemalige Heim war ein solcher Fund. Am Straßenrand gelegen war es voller schöner Details. Gerade im Keller bot sich uns ein wunderbarer natürlicher Verfall. Ein wahrer Urbexer-Traum.
Leider konnten wir zu diesem Ferienheim nur wenige Informationen finden. Scheinbar gehörte es zum Ministerium des Inneren der DDR. Natürlich nicht von diesem errichtet. Die Eigentümer wurden wegen angeblicher Verbrechen angeklagt und verloren die Besitzrechte an dem Haus. So erging es übrigens auch einigen anderen Eigentümerfamilien dieses Ortes.
Unterlagen lassen vermuten, dass das Gebäude auch nach dem Mauerfall genutzt wurde.
Die Villa wurde Ende des 19. Jahrhunderts erbaut. Mehrere Um- und Anbauten veränderten das Aussehen der Stadtvilla. Auch verschiedene Besitzerwechsel hatten Veränderungen zur Folge. Letzte bekannte Nutzung war, als Handelskammer der Region und als Grundbuchamt.
Mai 2015, eine lange Zug- und Busfahrt in ein unbekanntes Land, Kiew erleben, Fahrt in die Sperr- zone, viele neue Leute kennen lernen, als Gruppe zusammen wachsen, 3 atemberaubende Tage in der Zone, wohnen in Tschernobyl, eine verlassene 50.000-Einwohner-Stadt erkunden, eine riesige Radaranlage „Duga-3“ bestaunen, den Kalten Krieg spüren, die Strahlung vergessen, ein paar Meter entfernt vom Ort einer Nuklearkatastrophe sein, die Schlaglöcher der ukrainischen Straßen spüren, 5 Stunden an der polnisch-ukrainischen Grenze stehen, hoffen, dass der Bus hält, den Streik der Deutschen Bahn überleben, zu Hause und aufgewühlt sein, neue Freunde gefunden! Unvergesslich … danke an alle, die dabei waren.
Tag 1 – in der Sperrzone Tschernobyl
Am ersten Kontrollpunkt, der 30 km Sperrzone, und einer Übersichtskarte der Zone.
Paryshiv – Паришів
Ein kleines Dorf, das am linken Ufer des Flusses Prypjat liegt und 7 km von der Stadt entfernt ist. Im Jahr der Katastrophe lebten hier rund 1.000 Menschen, jetzt haben die früheren Bewohner woanders ein neues Dorf erbaut. Hier leben nur noch 7 Familien.
Feuerwehrstation Paryshiv – Пожарная Станция
Eine Feuerwehrstation nördlich von Prypjat in Paryshiv. Auf Grund der hohen Gefahr von Waldbränden, gibt es hier eine Feuerwehrstation. Einige Fahrzeuge sind fahrbereit, aber es lagert auch einiges an Schrott hier. Ein Haus war noch bewohnt.
Ausflugsdampfer „Tallin“ – Пароход „Таллин“
Früher fuhr dieser Raddampfer als Ausflugsschiff auf dem Dnepr. Jetzt liegt er in in einer kleinen Bucht und rostet vor sich hin.
Die 10 km Sperrzone
Bevor wir das nächste Ziel ansteuern konnten, die nächste Kontrolle in der inneren Sperrzone.
Ferienlager – Лагерь Отдыха„Изумрудный“
Ein Ferienlager im Wald, mit vielen kleinen Häusern. Die meisten mit Wandbemalungen, mit typisch sowjetischen Zeichentrickfiguren. Auch einige Überreste der Einrichtung und des Spielzeugs der Ferienkinder waren noch zu finden.
Tag 2 – in der Sperrzone Tschernobyl
Radarstation Duga-3 – Дуга-3
Die Radarstation Duga-3 war ein sowjetisches Überhorizontradar. Mit einer Frequenz von 10 Hz sollten Raketenstarts in Europa und Amerika erkannt werden. Entdeckungsreichweiten von 15.000 km waren möglich, ein anderer Name für das Radar ist „Woodpecker“ (Specht) da sich das Signal wie ein Klopfen anhörte und anfangs Störungen im Rundfunk hervor rief. Die Antennen sind ca. 200 m lang und 80 m hoch, Giganten aus Stahl!
Diese Anlage war eine von dreien in der Sowjetunion. Neben der reinen Technikanlage mit den riesigen Antennen, Technik- und Kontrollräumen gab es auch eine Feuerwehr, eine Schule, ein Kraftwerk, Unterkünfte, ein Kultur- zentrum mit Theater und Sporthalle. Alles was der Soldat so brauchte.
Duga-3 Antennen und Technikräume
Duga-3 das weitere Gelände mit Theater, Sporthalle und Schule
Kindergarten Kopachi – Детский сад Копачи
Der Kindergarten „Kopachi“, das letzte Gebäude einer stark verstrahlten Siedlung die abgetragen wurde. Dieser Kindergarten blieb zum Gedenken stehen, es gab noch die Bettchen und Spielzeug der Kinder. Früher lebten in dieser Siedlung einmal rund 1.100 Menschen.
Ortseingang von Prypjat – Припять
An einem bekannten Motiv in der Zone hielten wir auch an, dem Ortsschild von Prypjat.
Krankenhaus – Больница
In der Stadt gab es auch einen großen Krankenhauskomplex, mit Kinder-, neurologischer und Seuchenabteilung, sowie einem Krankenhaus mit OPs und einem Küchenkomplex.
Kindergarten „Goldener Schlüssel“ – Детский сад „Золотой ключик“
Einer von den vielen Kindergärten in der jungen Stadt Prypjat. Die Kinder durften bei ihrer Evakuierung nur ein Spielzeug mitnehmen. So blieb auch hier viel zurück, was an sie erinnert.
Café Prypjat – КафеПрипять
Das Café in Prypjat, in dessen Nähe dliegt auch der Fähranleger. Von dort ist noch ein alter Ausflugsdampfer und der Frachthafen zu sehen. Beim Café fielen vor allem die aufwendig gefertigten Fenster auf.
Das am 26. April 1986 havarierte Kernkraftwerk Tschernobyl Block 4. Daneben der neue Sarkophag, der sich im Bau befindet und später über das Kraftwerk geschoben werden soll. Am Kraftwerk befindet sich auch eines der sogenannte Liquidatoren-Denkmäler. 600.000 Helfer versuchten die Folgen des Unglücks zu beseitigen, gestorben sind davon bisher ca. 14.000.
Die Strahlung in der Luft war hier über 2 µS, die bisher höchste, von uns gemessene, in der Zone. Das letzte Bild zeigt Block 5 und 6, die sich im Bau befanden und seitdem brach liegen.
Tag 3 – in der Sperrzone Tschernobyl
Oberschule Nr. 3 – Школа№ 3
Die Schule Nr. 3 in Prypjat mit einem bekannten Motiv: Im Speisesaal der Schule lagen Unmengen Gasmasken. Es gibt hier eine kleine Sporthalle und in den Klassenzimmern stehen noch die Tische und Stühle. Auch ein Theater gab es in der Schule Nr. 3.
Schwimmbad „Azur“ – Бассейн “Лазурный”
Gleich neben der Schule, das Schwimmbad der Stadt mit dem Namen „Azur“. Im gleichen Gebäude befindet sich auch eine kleine Sporthalle.
Sportplatz – Cпортивная Площадка und Rummel – Балаган
Auf dem kaum noch wahrzunehmendem Sportplatz wächst ein Wald, über die Tribüne ging es zum Rummel. Dieser wurde nie eröffnet denn das sollte am 1. Mai-Feiertag 1986 geschehen. An diesem Tag war aber die Stadt schon menschenleer.
Zentrum mit Kulturpalast „Energetik“ – Центрс Дворцомкультуры «Энергетик»
Nächstes Ziel war der Kulturpalast „Energetik“, mit Sporthalle und Theatersaal. Danach erkundeten wir einige Gebäude am Hauptplatz von Prypjat. Ein Kaufhaus und das Hotel „Polesje“ mit gutem Blick auf die Stadt und das Kraftwerk.
Musikschule – Музыкальная школа
Die örtliche Musikschule.
Busfriedhof – Автобус Кладовищі
Entlang der nördlichen Zugangsstraße nach Prypjat und dem dortigen Ortsrelief, liegt westlich der Stadt ein Busfriedhof. So nannte es unser Guide, hier standen ein paar ausgeschlachtete Fahrzeuge und wir konnten kurz in die umliegenden Gebäude, die als Werkstatt und Garagen dienten.
Hochhaus Nr. 12 – Небоскреб№ 12
Letzte Station war ein Wohnhaus mit der Nr. 56. Die 16 Etagen mussten zu Fuß bestiegen werden, um einen atemberaubenden Blick über die Stadt zu haben. Unterwegs an den Fahrstühlen des Hochhauses standen noch einige Hinterlassenschaften der ehemaligen Bewohner.
Der VEB „Aladdin“ kann auf eine über 100-jährige Geschichte zurück blicken. Nach der Gründung wuchs die Beschäftigtenzahl auf 200 und wurde somit für den Ort zum wichtigen Wirtschaftsfaktor. In den besten Tagen waren hier über 2.000 Mitarbeiter beschäftigt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Fabrik demontiert und als Reparationsleistung in die Sowjetunion verbracht – später dann als VEB wieder eingerichtet. Nach der Wende wurde der Betrieb modernisiert und erweitert – der alte Standort fiel in einen Dornröschenschlaf.
Toller natürlicher Verfall überall, eine Location nach unserem Geschmack.
Da in der Presse von einem geplanten Abriss berichtet wurde, lag ein 2. Besuch des VEB Aladdin nah, da immer wieder Bilder von dort auftauchten die wir nicht kannten. Das ist einer der größten und verwinkelten VEB Betriebe die wir je besuchten. Eine Systematische Besichtigung funktioniert hier nicht, scheinbar wurden Betriebsteile angestückelt und sind auch nicht von überall begehbar. So fanden wir viele tolle neue Motive dort, aber uns beschlich auch das Gefühl noch nicht alles gesehen zu haben.
Eine Villa, die schon einige Jahre leer steht. Eine Kegelbahn, mehrere Bäder und ein Schwimmbad sind vorhanden. Warum hier keiner mehr wohnt, konnten wir nicht in Erfahrung bringen.
Ein erneuter Besuch der Villa. Diesmal kämpften wir uns auch bis zum Bootshaus durch. Es ist alles sehr zugewachsen, man ahnt wie schön es hier doch mal gewesen ist.
Die Villa hat ja in den letzten Jahren viele Besucher, leider auch Zeitgenossen die nicht nur Bilder mitnehmen. Verschwunden sind, der Kronleuchter, das Waschbecken und die bunten Fenster.
Eine Kaserne in der Nähe eines Truppenübungsplatzes, der von der Bundeswehr nach genutzt wird. Die Reste der hauptsächlich mit Wohnhäusern bebauten Kaserne wurden zuletzt für Häuserkampf-Übungen benutzt.
In den Jahren davor wechselten sowohl der Eigentümer als auch die Nutzung mehrfach. Während des 1. Welt- krieges diente der Platz zur Unterbringung von Kampfdivisionen, Reserven und Ausbildungskommandos. Die Aufrüstung brachte ab 1936 vermehrt gepanzerte Gefechtsfahrzeuge, bespannte Artillerie, Pioniere und Kavallerie auf den Platz. Während des 2. Weltkriegs befanden sich auch Kriegsgefangene hier.
1946 machten die sowjetischen Streitkräfte den Standort für die nächsten 48 Jahre zur Garnison. Rund 40.000 Menschen, Soldaten und Zivilisten aus der Sowjetunion lebten in diesem abgeschlossenen Areal.
In den 1950er Jahren begann die Deutsche Reichsbahn mit dem Aufbau von sogenannten Katastrophenzügen, die nicht nur militärisch genutzt werden sollten. Der Standort der Züge war an markanten Punkten der DDR und es waren am Ende 14 Züge vorhanden.
Sie bestanden aus Bettenwagen, Operationswagen, Küchenwagen und Maschinenwagen.
Dieser Zug wird von den Eisenbahnfreunden Staßfurt in mühevoller Arbeit liebevoll restauriert.
Auf dem Hof stand noch ein Traktor, ein Teil der Brauerei ist abgebrannt und wegen Zeitmangel konnten wir den Rest nicht vollständig angucken.
Viel mehr Informationen haben wir nicht zu dem Objekt.
Update 2016: Jetzt waren wir noch einmal in der Gegend und haben uns noch einmal umgeguckt.